Bewertung
Spoilerfreie Rezension
Ich bin mittlerweile ein bekennender Süskind Fan. Ähnlich wie Die Taube ist auch Der Kontrabaß nur ein kurzes Vergnügen. Das 1981 uraufgeführte Ein-Mann-Stück besteht nur aus einem Akt und demnach auch nur aus 96 zugegebenermaßen spärlich bedruckten Seiten. Das ganze ist also durchaus an einem Abend zu schaffen.
Es geht um einen verbeamteten Kontrabassisten, der von seinem Spagat zwischen dem spießbürgerlichen Habitus eines Beamten und der Sehnsucht nach einem pompösen Künstlerdasein erzählt. Er malt ein komisches Bild von der innigen Beziehung mit seinem Instrument, welche sich gewissermaßen durch eine Art Hassliebe auszeichnet und eigentlich nur durch eine Rebellion gegen das Elternhaus überhaupt zu Stande gekommen ist. Er beschreibt, wie er selbst im Orchester noch über dem Dirigenten stehe und dass ihn an Wichtigkeit im Grunde niemand übertreffen könne, wobei er sich dessen im Laufe des Buches immer unsicherer zu sein scheint.
Auch wenn ich oft meine Schwierigkeiten mit dem Lesen von Theaterstücken habe, war ich positiv überrascht. Süskinds einzigartiges Talent auch in Schriftform die Komik der Situation auf den Punkt zu bringen ist wirklich eine Freude. Dies ist meiner Meinung nach eines der Bücher, bei denen man nach dem Weglegen denkt: Wieso können nicht alle Bücher so sein?
Auf dem Buchrücken heißt es Der Kontrabaß sei Millieukomik und das beschreibt das Werk ganz gut. Wir begleiten den Protagonisten auf einer Art Erkenntnisprozess über das eigene Dasein, herrlich erzählt und sehr amüsant.
Diskussion (Achtung, Spoiler)
Zunächst hat mich der Kontrabassist sehr amüsiert. Sein wahnsinniger Übermut und die komische Art und Weise haben mich belustigt und wäre es nur dabei geblieben hätte das Buch vermutlich schon 4 Sterne von mir bekommen. Als dann aber mehr und mehr klar wird, dass er eigentlich niemals Kontrabass spielen wollte, dass ihn das Instrument physisch und psychisch behindert, fand ich das großartig. Das war definitiv eine Bereicherung für seinen Charakter und verlieh ihm etwas mehr Tiefgang. Ich hätte es nicht vermutet, aber es hat mich einigermaßen berührt, wie der arme Mann schildert, dass aufgrund seines für die meisten uninteressanten Instruments seine heimliche Liebe Sarah für ihn unerreichbar ist und er mit ihr nicht einmal musizieren kann, da für sie gemeinsam kein einziges passendes Stück existiert.
Es ist im Grunde eine Geschichte darüber wie unglücklich es jeden machen kann, wenn man im Leben einfach das falsche tut und es aus Furcht vor dem Wagnis eines Neuanfangs einfach immer weiterführt. Eine Zeit lang redet man sich das schön, man betont gar übermäßig wie gut es einem geht mit dem was man tut, wie wichtig man selbst und seine Tätigkeit sind, nur damit andere nicht auf die Idee kommen, dass man die falsche Entscheidung getroffen haben könnte oder gar unglücklich oder erfolglos ist. Der Kontrabassist versucht dieses Gefühl zu kompensieren, indem er sich als unterschätzt beklagt, den Fehler bei anderen sucht, nicht aber bei ihm selbst.
Bei diesem Süskind bin ich – mal wieder – ein Fan vom Ende. Wie schon in der Taube ist das Ende begleitet von Selbsterkenntnis und dem Mut etwas zu verändern. Der Musiker nimmt sich vor in der Vorstellung laut nach seiner Sarah, der Sängerin, in die er verliebt ist, zu schreien. Und so merkwürdig und unproduktiv sich das anhört, es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Er setzt die richtigen Prioritäten und ist bereit seinen unliebsamen Beruf aufzugeben, um sich endlich zu trauen. Sich zu trauen seine Sarah anzusprechen (zugegeben auf einem etwas unkonventionellem Weg), sich zu trauen das altbekannte, ungeliebte aufzugeben und sich selbst einzugestehen, dass nicht immer alles so bleiben sollte, wie es immer war.